Die gemeinsamen Aktivitäten der Kooperationspartnerinnen Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL, Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld sowie WEGE Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld mbH fokussieren auf zwei Ziele: die Fachkräftesicherung zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sowie die Verbesserung der beruflichen Rahmenbedingungen für Frauen.
Beide Aspekte tragen sowohl zur Innovationskraft der Wirtschaft als auch zur Erhöhung der Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt bei. Im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungsformate werden Personalverantwortliche und Führungskräfte aus kleinen und mittelständischen Unternehmen eingeladen, sich über Strategien der Personalentwicklung und die Gestaltung von fachlichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen zu informieren und auszutauschen. Seit Anfang 2017 wurden 20 gemeinsame Veranstaltungen der Kooperationspartnerinnen in Bielefeld durchgeführt. Welche Erkenntnisse haben sich daraus ergeben in Bezug auf gute Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren, um das Fachkräftepotenzial von weiblichen Beschäftigten und Führungskräften zu entfalten? Welche Erfahrungen haben regionale Unternehmen in die Debatte einbringen können?
Die Bielefelder Kampagne „Mehr Frauen in Führung – so geht’s!“ bildet den Rahmen für die gemeinsamen Aktivitäten der drei o.g. Kooperationspartnerinnen. Sie steht für die Bedeutsamkeit einer Personalentwicklungspolitik für alle Lebens- und Erwerbsphasen. Eines der inzwischen bekanntesten Veranstaltungsformate ist die Reihe „Zu Gast bei …“. In jeder Einzelveranstaltung stellt das jeweils gastgebende Unternehmen eine oder mehrere Führungsfrauen vor, insbesondere ihren Werdegang im Unternehmen, und zeigt auf, welche konkreten Strategien implementiert worden sind, um den Anteil von Fach- und Führungsfrauen zu erhöhen.
Folgende Unternehmen haben 2017 und 2018 an dieser Veranstaltungsreihe teilgenommen:
MarcanT AG, März 2017
Oltrogge & Co. KG, Juni 2017
Katag AG, Okt 2017
Sparkasse Bielefeld, Nov 2017
Autocenter Gaus GmbH & Co. KG, März 2018
Ev. Johanneswerk gGmbH, Juni 2018
Miele & Cie. KG, Sept 2018
itelligence AG, Nov 2018
Die Ansätze zur Förderung der Chancengleichheit in den jeweiligen Unternehmen sind dabei so individuell wie die Unternehmen selbst. Das zeigt wiederum, dass es nicht DEN einen Königsweg gibt, um gute Rahmenbedingungen für die berufliche Entwicklung von Frauen zu schaffen. Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Miele & Cie. KG, haben aus dem Bereich der Personalentwicklung heraus zunächst intensiv die Situation analysiert und durch Befragungen etwaige besondere Bedarfe von weiblichen Beschäftigten ermittelt. Daraufhin ist ein ganzes Fortbildungsprogramm teils ausschließlich für weibliche Nachwuchstalente und teils für alle Führungskräfte entwickelt worden, welches regelmäßig angeboten wird. Beispielsweise wurde das Modul „Diversity – Vielfalt führen“ im Qualifikationsprogramm für Führungskräfte fest integriert.
Eine ähnliche Entwicklung fand bei der itelligence AG statt. Jedoch kam der Impuls hier von den weiblichen Führungskräften selbst, praktisch eine „grass roots“-Bewegung, die ein rasantes Tempo vorlegte: In einem Zeitraum von weniger als 12 Monaten wurden Konferenzen mit Führungsfrauen, ein Konsultationsprozess mit der Geschäftsleitung zur Abstimmung der Aktivitäten, Formulierung von konkreten Zielvorgaben sowie der Implementierung von Weiterbildungsangeboten für – nicht nur weibliche – Führungskräfte initiiert. Bei der Ev. Johanneswerk gGmbH wiederum werden für Nachwuchsführungskräfte neben Trainee- und Fortbildungsangeboten verstärkt Mentoring oder Patenschaften durch Berufserfahrene angeboten. Die meisten davon sind nicht ausschließlich für Frauen.
In wieder anderen Unternehmen wie z. B. Oltrogge GmH & Co. KG wird individuell geschaut, ob und welche konkreten Angebote erforderlich sind und ggf. auch individuell organisiert, wie bspw. ein Coaching bei Übernahme einer Führungsposition. Ziel der Personalpolitik bei der Oltrogge GmbH & Co. KG im Hinblick auf Gewinnung und Bindung von Frauen im Unternehmen ist es, die Frauen sichtbar zu machen, sowohl in der Außenwirkung des Unternehmens, als auch intern in den jeweiligen Teams. Hierfür gibt es nach Auffassung von Katharina Himmerich, früher Personalleiterin und inzwischen Geschäftsführerin, gute Gründe: Sie ist überzeugt von der Überlegenheit heterogener Teams, da dies die Kundenorientierung und damit die Zukunftssicherheit des Unternehmens erhöht. Diese „knallharten, ökonomischen Gründe“ seien der stärkste Anreiz, den Blick auf die Gewinnung und Bindung weiblicher Beschäftigter zu erhöhen. Allerdings räumte Daniel Oltrogge, geschäftsführender Gesellschafter von Olrtogge & Co. KG, ein: „Von alleine entwickelt sich nichts. Es braucht ‚Treiber‘, damit das Thema aufgegriffen wird und auf der Tagesordnung bleibt“. Daher begrüßt er die Sensibilität der Personalleiterin für dieses Thema und ihren Ansatz, dies deutlich neben weiteren Diversity-Aspekten in der Personalentwicklung zu verankern.
In Unternehmen mit einem ausreichend hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten, sind Frauennetzwerke gegründet worden, z.B. bei itelligence AG, Sparkasse Bielefeld, Miele & Cie. KG, teilweise sogar differenziert nach Fachgebieten. Auch externe bzw. firmenunabhängige Netzwerke und Mentoring-Angebote werden von den Unternehmen zur Entwicklung eigener Mitarbeiterinnen genutzt. Dazu gehört das in der Region bereits etablierte Cross Mentoring OWL. Gleichermaßen können aufstiegsorientierte Frauen auf eigene Initiative in dieser Hinsicht tätig werden, etwa durch Teilnahme an individuellen Mentoring-Programmen wie dem Bielefelder Mentoring oder als Mitglied in einem Netzwerk wie den Managerinnen OWL e. V.
In einer Veranstaltung im Juni 2018 wurde das Thema „Mentoring als Instrument der Personalentwicklung“ mit diversen Mitwirkenden aus Wissenschaft und Wirtschaft ausführlich diskutiert. In ihrer Keynote unterstrich Isabel Nitzsche, Autorin, Redakteurin und Management Coach aus München, die positiven Effekte von Mentoring-Programmen: „Gute Leistungen sind wichtig, beim Aufstieg kommt es aber auch auf andere Dinge an. In vielen Unternehmen sind die informellen Macht-Spielregeln traditionell männlich geprägt. Für Frauen ist es hilfreich, sich das bewusst zu machen. Entscheiden Sie, wie Sie mit diesen Regeln reflektiert und kreativ umgehen. Eine Portion Humor schadet dabei nicht.“
Prof.‘in Dr.‘in Swetlana Franken von der Fachhochschule Bielefeld sowie die Unternehmensberaterin Nina Mrugalla betonten wiederum, dass der Faktor „Spaß an der Führungsaufgabe“ mehr in den Vordergrund gerückt werden darf, sogar werden müsste. Denn jungen Frauen, die zunächst angeben „nicht an Karriere interessiert“ zu sein, sei unter Umständen gar nicht bewusst, wie viel Spaß es machen kann, in Führungsfunktionen Prozesse gestalten zu können. Übrigens können Unternehmen Mentoring-Angebote auch unmittelbar in Anspruch nehmen: Beispielsweise nehmen schon seit zehn Jahren Mitarbeiterinnen von EFB Elektronik GmbH am Cross Mentoring OWL teil, weil – so Robin Ohle, EFB Elketronik GmbH – dieses Programm einfach ein Angebot vorhält, welches das Unternehmen allein so nicht bieten könne und viele Vorteile bringe. Die Investition lohne sich, denn die Mitarbeiterinnen gingen persönlich gestärkt aus dem Programm hervor, was wiederum bewirke, dass sie ihre fachlichen Kompetenzen noch besser im Unternehmen einbrächten.
Über die Mitgliedschaft im Verein „FidAr – Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ können sich Unternehmen darüber hinaus für die Erhöhung der Chancengleichheit für weibliche Führungskräfte engagieren.
In kleineren oder inhabergeführten Unternehmen stecken oftmals individuelle Ansätze der Personalentwicklung hinter den Karrieren der Führungsfrauen. Beispiele hierfür sind die Unternehmen MarcanT AG, Oltrogge & Co. KG, Autocenter Gaus GmbH & Co. KG oder Metallit GmbH. Berufliche Erfahrung auch außerhalb des Familienbetriebs kann für die Übernahme von Führungsaufgaben der Töchter hilfreich sein, um die Akzeptanz bei den Beschäftigten zu erhöhen. Diese Erfahrung machte u. a. Katharina Schwerdt von Metallit GmbH.
In einer Veranstaltung, in der die Unternehmenskultur von Familienunternehmen näher betrachtet wurde, führte Prof.‘in Dr.‘in Christina Hoon, Inhaberin des Stiftungslehrstuhls für BWL, insbes. Führung von Familienunternehmen an der Universität Bielefeld, aus, dass nach der aktuellen Forschung tatsächlich zwar keine Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Führungsstil signifikant feststellbar sind – wohl aber weiterhin die Wahrnehmung weiblicher Führung. Herrschende Geschlechterrollenstereotypen stellen insoweit noch die bedeutendsten Faktoren für die Undurchlässigkeit der Führungsetagen für Frauen dar. Erst mit einer höheren Anzahl weiblicher Führungskräfte geht ein Wandel geschlechterbezogener Stereotype einher, daher bleibt die Forderung nach mehr Frauen in Führung wichtig. Was Familienunternehmen auf jeden Fall attraktiv macht, ist die Tatsache, dass aufgrund einer längeren, soliden Unternehmensgeschichte eine gewisse Beständigkeit vorherrscht bei gleichzeitiger Ausrichtung der Unternehmensziele auf die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Oftmals sind sie gekennzeichnet durch eine niedrige Fluktuation der Beschäftigten, welche durch beständige Angebote der Fortbildung und persönlichen Weiterentwicklung entlang der eigenen Kompetenzen erreicht wird. Liegt der höhere Anteil von Frauen in Führungspositionen in KMU und Familienunternehmen an der stärkeren Fokussierung der Führungskräfte auf die Kompetenzen der Beschäftigten? Liegt es an der anderen Unternehmenskultur in Familienunternehmen?
Was hat die Unternehmenskultur also mit der Chancengleichheit von aufstiegsorientierten Frauen zu tun?
Unter Unternehmenskultur soll hier das Leitbild verstanden werden, welches das Unternehmen ausmacht und täglich reproduziert und weiterentwickelt wird, indem die Führungskräfte dies vorleben, die Beschäftigten sich daran orientieren und sich mit den Werten identifizieren können. Sie betrifft aber auch den täglichen Umgang unter und mit den Beschäftigten, also: die gelebte Kommunikationskultur.
Eine gute Unternehmenskultur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Rahmen bietet, um einerseits das Produkt bzw. die Dienstleistung, welche das Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens darstellt, kunden- und marktorientiert anbieten und qualitativ weiterentwickeln zu können. Andererseits beeinflusst die Unternehmenskultur auch stark, ob und wie sehr die Beschäftigten bereit und in der Lage sind, sich mit ihrer Arbeitskraft und ihren Kompetenzen konstruktiv und innovativ in diesen Prozess einzubringen.
Eine gute Unternehmenskultur kann daher in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft bei der Werbung um und Bindung von Arbeitskräften eingesetzt werden. Für weibliche Beschäftigte kann dies auf mehreren Ebenen relevant sein und weitere Dimensionen betreffen als für Männer. Hier nur beispielhaft einige Anknüpfungspunkte, an denen mit der Transformation der Unternehmenskultur begonnen werden kann:
Sind die unternehmenseigenen Medien (z. B. Homepage, Imagebroschüre, Zeitschriften für Beschäftigte, Kundinnen und Kunden, Werbebroschüren u. a.) so gestaltet, dass auch Frauen mit abgebildet sind?
Wird in diesen Kommunikationsmedien eine Sprache verwendet, die inklusiv für Frauen ist? Oder sind sie in Bezeichnungen wie „Mitarbeiter“, „Techniker“, „Betriebsleiter“, „Geschäftsführer“ mitgemeint?
Bietet die Arbeitsorganisation v. a. in zeitlicher Hinsicht Raum für außerberufliche Verpflichtungen und Wünsche?
Werden Beschäftigte in Elternzeit bei der langfristigen Personalplanung, internen Stellenausschreibungen, Beförderungen oder dem Weiterbildungsprogramm einbezogen?
Wie sind Stellenanzeigen formuliert und welche Gruppe von Bewerberinnen und Bewerbern werden davon angesprochen?
Nahezu alle Mitwirkenden der Veranstaltungen betonten die Bedeutung der Führungskräfte für den Kulturwandel. Die strategische Entscheidung hin zu mehr Chancengleichheit in Unternehmen kann nur dann wirklich funktionieren, wenn sie aus den obersten Reihen der Geschäftsleitung kommt bzw. voll und ganz mitgetragen und von dort in alle Hierarchieebenen getragen wird. Denn zahlreiche alltägliche Entscheidungen von Führungskräften wirken sich unmittelbar auf die Aufstiegschancen der weiblichen Beschäftigten aus und beeinflussen auch deren Interesse am Aufstieg.
Martin Spilker (Bertelsmann Stiftung) betonte in einer Talkrunde im Mai 2017 die Erforderlichkeit der Übernahme von persönlicher Verantwortung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Führungsebenen. Gerade der sog. „Top-Down-Effekt“, also dass die oberste Führungsebene ganz ausdrücklich hinter gelebter Chancengleichheit steht, sei wesentlich. Dies leiste einen großen Beitrag zu einer positiven Unternehmenskultur, welche Chancengleichheit für alle bietet. Spilker: „Wichtig ist, dass notfalls auch Konsequenzen folgen, wenn dies nicht gelingt.“ Ein ganzheitliches Gesamtkonzept, welches sich aus möglichst vielen Aspekten und Maßnahmen zusammensetzt, entfaltet in der Regel die größte Wirksamkeit.
In einigen der regionalen Unternehmen gehört das Thema Chancengleichheit für weibliche Nachwuchstalente ausdrücklich zum weiter gefassten Bereich des Diversity Managements, zu dem auch andere Diversity-Kategorien wie Alter oder Migration/ Internationalität gehören können. Ende 2017 wurde ein Work- shop für Personalverantwortliche aus KMU mit dem Titel „Erfolgsfaktoren für mehr Vielfalt und Innovationskraft in Fach- und Führungspositionen“ durchgeführt. Die Workshop-Leiterin, Nina Bessing von der EAF (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft e.V., Berlin) führte darin aus: „Diversity Management ist ein ganzheitliches Managementkonzept, welches die Wertschätzung einerseits und auch die explizite Förderung von Vielfalt in Organisationen andererseits zum Ziel hat.“ Studien haben ergeben, dass ein Team seine optimale Effizienz erreicht, wenn es zu je 50 Prozent aus Frauen und Männern besteht. Ein guter Grund also, dies in den Unternehmenszielen zu verankern.
Mit den Teilnehmenden des Workshops aus den unterschiedlichsten KMU wurde anhand von vielen praktischen Übungen und in der Diskussion erarbeitet, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um Vielfalt in der Belegschaft zu fördern und die Potentiale aller Beschäftigten für das Unternehmen zu erschließen. Beispielsweise kann Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten Beschäftigte dabei unterstützen, dass sie trotz familiärer Verpflichtungen oder sonstiger persönlicher Interessen, mit einem hohen Stundenumfang (weiter) erwerbstätig sein können, sodass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weiterhin von der Expertise der eigenen Fach- und Führungskräfte profitieren können.
Talentmanagement vom Berufseinstieg bis zur Führungskraft
Da es ratsam ist, das Talentmanagement schon sehr frühzeitig zu beginnen, sind Kooperationen mit den Bielefelder Hochschulen und einzelnen Unternehmen entstanden, um genau hier anzusetzen: Die KMU aus der Region sind wesentlich weniger bekannt unter Hochschulabsolventinnen und müssen daher höhere Anstrengungen unternehmen, um sich bei ihren potentiellen Bewerberinnen bekannt zu machen.
In dem Format „Karrierewege nach dem Hochschulabschluss – Meet the Female Professionals“ haben Fach- und Führungsfrauen als Repräsentantinnen ihrer Unternehmen an Veranstaltungen in der Universität mitgewirkt und in lockerer Atmosphäre Kontakte geknüpft mit Studentinnen verschiedenster Fachrichtungen. Ganz nebenbei können sich die Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Auf ganz informelle Weise wird Studentinnen so näher gebracht, wie vielfältig die Unternehmen der Region sind und welche diversen und interessanten Arbeitsfelder hier vorhanden sind.
Zudem konnten durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Career Service der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Unternehmensbesuche organisiert werden. D.h. dass kleine Gruppen von Studentinnen aus einzelnen Fachbereichen in den Alltag der Unternehmen hineinschnuppern und sich ein Bild von den Einstiegsmöglichkeiten und Tätigkeitsfeldern dort machen konnten. Über den Career Service der Uni Bielefeld oder Fachhochschule bestehen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen, Kontakte zu den Bewerberinnen von Morgen zu knüpfen und sich schon frühzeitig als attraktive Arbeitgeber zu positionieren, etwa durch Ausschreibungen von Stellen für Werksstudentinnen, das Verfassen von Abschlussarbeiten oder auch durch Job-Shadowing. Mitarbeiterinnen der Personalabteilung bei Oltrogge GmbH & Co. KG haben in der Vergangenheit bspw. in Kooperation mit dem Career Service auch Bewerbungstrainings für Studierende angeboten, an Fach- und Recruiting-Messen teilgenommen, nicht zuletzt, um Studierende als zukünftige Beschäftigte zu gewinnen. Auch bei Azubis kann frühzeitig durch verschiedene Maßnahmen auf eine Bindung an und starke Identifikation mit dem Unternehmen hingewirkt werden, z.B. durch Azubiprojekte und Teamevents wie es bei der Katag AG praktiziert wird.
Stichwort: Arbeitgeberattraktivität oder „Employer Branding“
Interessant ist auch, wie es sich auswirkt, wenn Frauen in der Geschäftsführung abgebildet sind: So reagieren Hochschulabsolventinnen eher negativ darauf, wenn die einzige Frau in der Geschäftsleitung das Ressort „Personal“ innehat, da diese eher als „Alibi-Frau“ wahrgenommen wird. Ist das einzige weibliche Mitglied der Geschäftsführung für den Bereich „Controlling und Finanzen“ zuständig, wird dies von jungen Akademikerinnen überdurchschnittlich positiv bewertet.
Wenn wiederum 50 Prozent Frauen in der Geschäftsführung tätig sind, wirkt dies fast gleichermaßen positiv auf weibliche wie männliche Hochschulabsolventen. „Ein Unternehmen kann nicht nicht kommunizieren“, so Pro- f.‘in Dr.‘in Iseke. Employer Branding kann strategisch eingesetzt werden, um eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise die der weiblichen Fachkräfte und Nachwuchstalente, besonders anzusprechen und deren Potenzial für die Unternehmen aufzuschließen. Gleichzeitig kann die Anzahl der unpassenden Bewerbungen reduziert werden.
Und worauf müssen wir uns Zukunft einstellen?
Im Juli 2017 wirkten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaftsunternehmen aus der Region an einer Veranstaltung mit, deren Titel „Arbeit 4.0 und New Work – auf dem Weg in eine Personalentwicklung der Zukunft“ lautete. Sie stellten Ansätze vor, wie sich Digitalisierung bereits auf Geschäftsprozesse, Personalentwicklung und Kommunikation in ihren Unternehmen ausgewirkt hat. Die Synaxon AG etwa hat ein internes Kommunikationsnetz aufgebaut, welches es einzelnen Beschäftigten er- möglicht, Abläufe im Unternehmen, die schon lange unhinterfragt bestehen, auf den Prüfstand zu stellen oder ganz neue Praktiken einzuführen: Beschäftigte können dort jederzeit Veränderungsvorschläge machen, die möglichst mit Empfehlungen zur praktischen Umsetzung versehen sind, was sodann von allen Kolleginnen und Kollegen kommentiert und am Ende angenommen oder abgelehnt werden kann. So wurden Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse, sei es bei Urlaubsabsprachen, Materialbeschaffung u.a., deutlich verschlankt und gleichzeitig den Beschäftigten mehr Verantwortung übertragen. Dadurch konnten Ressourcen eingespart werden und letztlich alle Beteiligten profitieren. „Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Marc Schröder, Geschäftsführer der Synaxon AG und betont, dass die Beschäftigten sehr gewissenhaft mit diesem Instrument umgehen.
Bei Comspace GmbH & Co. KG sind digitale Formen der Vernetzung zur Verbesserung des Betriebsklimas und einer stärkeren Vernetzung unter den Beschäftigten entwickelt worden. Auf der – ursprünglich ausschließlich firmeninternen – Plattform „Spende Dein Talent“ haben Beschäftigte Angebote eingestellt, wo sie sich persönlich einbringen können, weil sie hier ein besonderes Interesse und Talent haben, zum Beispiel ein Lauftreff zu führen, eine Yogastunde in der Mittagspause anzuleiten, Tortenbacken oder sonstige Freizeitaktivitäten. So lernen Angestellte aus unterschiedlichen Bereichen sich in ganz neuen Kontexten kennen und schätzen. Diese Idee kann auch in anderen Unternehmen genutzt werden, um eine eigene Unternehmensgeschichte zu erzählen, die Unternehmenskultur zu verbessern und die Arbeitgeberattraktivität zu stärken. Es ist auch ein Beitrag dazu, den „Menschen in der digitalisierten Welt in den Mittelpunkt zu stellen“.
Beide genannten Beispiele tragen auf ihre Art zu einer Verbesserung des Betriebsklimas bei, was wiederum einen sehr wichtigen Baustein der Unternehmenskultur darstellt. Gerade unter weiblichen Beschäftigten hat dies einen hohen Stellenwert.
Wie Digitalisierung in zehn, 20 oder mehr Jahren die Ausgestaltung der individuellen Arbeitsplätze beeinflussen wird, kann nicht wirklich vorhergesehen werden. Einige Unternehmen sowie deren Be- schäftigte gehen dem Wandel zuversichtlich und positiv gespannt entgegen, bei anderen überwiegen Angst und Zurückhaltung. Relativ sicher ist jedoch, dass sich das Kompetenzprofil in vielen Arbeitsfeldern verschieben wird, was sich auf jeden Fall auch auf die Form der Zusammenarbeit in Teams auswirken wird. Agile Arbeitsstrukturen werden verstärkt agile Teams mit besonderen, vielleicht auch neuen Formen der Kommunikation erfordern. Sie kommen einer Flexibilität, wie sie von immer mehr Beschäftigten gewünscht wird, entgegen, sodass sie – bei entsprechender technischer Ausstattung – andere Möglichkeiten der Zeiteinteilung zulassen. Die Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit stellt dann wiederum höhere Anforderungen an Beschäftigte und erfordert klare Absprachen zwischen ihnen und ihren Führungskräften etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit.
Robert Franken, Digital und Diversity Consultant aus Köln, formulierte die These, dass zukünftig ein empathischer Perspektivwechsel Voraussetzung ist, um komplemxentäre Potenziale aller Geschlechter zu entfalten. Er nennt dies „Gender Empathy“. Frauen haben seiner Ansicht nach gute – vielleicht sogar bessere – Voraussetzungen als Männer, um in den neuen Strukturen zu arbeiten.
Geschrieben von Christina Rouvray,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL
Die gemeinsamen Aktivitäten der Kooperationspartnerinnen Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL, Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld sowie WEGE Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Bielefeld mbH fokussieren auf zwei Ziele: die Fachkräftesicherung zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), sowie die Verbesserung der beruflichen Rahmenbedingungen für Frauen.
Beide Aspekte tragen sowohl zur Innovationskraft der Wirtschaft als auch zur Erhöhung der Chancengleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt bei. Im Rahmen unterschiedlicher Veranstaltungsformate werden Personalverantwortliche und Führungskräfte aus kleinen und mittelständischen Unternehmen eingeladen, sich über Strategien der Personalentwicklung und die Gestaltung von fachlichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen zu informieren und auszutauschen. Seit Anfang 2017 wurden 20 gemeinsame Veranstaltungen der Kooperationspartnerinnen in Bielefeld durchgeführt. Welche Erkenntnisse haben sich daraus ergeben in Bezug auf gute Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren, um das Fachkräftepotenzial von weiblichen Beschäftigten und Führungskräften zu entfalten? Welche Erfahrungen haben regionale Unternehmen in die Debatte einbringen können?
Die Bielefelder Kampagne „Mehr Frauen in Führung – so geht’s!“ bildet den Rahmen für die gemeinsamen Aktivitäten der drei o.g. Kooperationspartnerinnen. Sie steht für die Bedeutsamkeit einer Personalentwicklungspolitik für alle Lebens- und Erwerbsphasen. Eines der inzwischen bekanntesten Veranstaltungsformate ist die Reihe „Zu Gast bei …“. In jeder Einzelveranstaltung stellt das jeweils gastgebende Unternehmen eine oder mehrere Führungsfrauen vor, insbesondere ihren Werdegang im Unternehmen, und zeigt auf, welche konkreten Strategien implementiert worden sind, um den Anteil von Fach- und Führungsfrauen zu erhöhen.
Folgende Unternehmen haben 2017 und 2018 an dieser Veranstaltungsreihe teilgenommen:
MarcanT AG, März 2017
Oltrogge & Co. KG, Juni 2017
Katag AG, Okt 2017
Sparkasse Bielefeld, Nov 2017
Autocenter Gaus GmbH & Co. KG, März 2018
Ev. Johanneswerk gGmbH, Juni 2018
Miele & Cie. KG, Sept 2018
itelligence AG, Nov 2018
Die Ansätze zur Förderung der Chancengleichheit in den jeweiligen Unternehmen sind dabei so individuell wie die Unternehmen selbst. Das zeigt wiederum, dass es nicht DEN einen Königsweg gibt, um gute Rahmenbedingungen für die berufliche Entwicklung von Frauen zu schaffen. Einige Unternehmen, wie zum Beispiel Miele & Cie. KG, haben aus dem Bereich der Personalentwicklung heraus zunächst intensiv die Situation analysiert und durch Befragungen etwaige besondere Bedarfe von weiblichen Beschäftigten ermittelt. Daraufhin ist ein ganzes Fortbildungsprogramm teils ausschließlich für weibliche Nachwuchstalente und teils für alle Führungskräfte entwickelt worden, welches regelmäßig angeboten wird. Beispielsweise wurde das Modul „Diversity – Vielfalt führen“ im Qualifikationsprogramm für Führungskräfte fest integriert.
Eine ähnliche Entwicklung fand bei der itelligence AG statt. Jedoch kam der Impuls hier von den weiblichen Führungskräften selbst, praktisch eine „grass roots“-Bewegung, die ein rasantes Tempo vorlegte: In einem Zeitraum von weniger als 12 Monaten wurden Konferenzen mit Führungsfrauen, ein Konsultationsprozess mit der Geschäftsleitung zur Abstimmung der Aktivitäten, Formulierung von konkreten Zielvorgaben sowie der Implementierung von Weiterbildungsangeboten für – nicht nur weibliche – Führungskräfte initiiert. Bei der Ev. Johanneswerk gGmbH wiederum werden für Nachwuchsführungskräfte neben Trainee- und Fortbildungsangeboten verstärkt Mentoring oder Patenschaften durch Berufserfahrene angeboten. Die meisten davon sind nicht ausschließlich für Frauen.
In wieder anderen Unternehmen wie z. B. Oltrogge GmH & Co. KG wird individuell geschaut, ob und welche konkreten Angebote erforderlich sind und ggf. auch individuell organisiert, wie bspw. ein Coaching bei Übernahme einer Führungsposition. Ziel der Personalpolitik bei der Oltrogge GmbH & Co. KG im Hinblick auf Gewinnung und Bindung von Frauen im Unternehmen ist es, die Frauen sichtbar zu machen, sowohl in der Außenwirkung des Unternehmens, als auch intern in den jeweiligen Teams. Hierfür gibt es nach Auffassung von Katharina Himmerich, früher Personalleiterin und inzwischen Geschäftsführerin, gute Gründe: Sie ist überzeugt von der Überlegenheit heterogener Teams, da dies die Kundenorientierung und damit die Zukunftssicherheit des Unternehmens erhöht. Diese „knallharten, ökonomischen Gründe“ seien der stärkste Anreiz, den Blick auf die Gewinnung und Bindung weiblicher Beschäftigter zu erhöhen. Allerdings räumte Daniel Oltrogge, geschäftsführender Gesellschafter von Olrtogge & Co. KG, ein: „Von alleine entwickelt sich nichts. Es braucht ‚Treiber‘, damit das Thema aufgegriffen wird und auf der Tagesordnung bleibt“. Daher begrüßt er die Sensibilität der Personalleiterin für dieses Thema und ihren Ansatz, dies deutlich neben weiteren Diversity-Aspekten in der Personalentwicklung zu verankern.
In Unternehmen mit einem ausreichend hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten, sind Frauennetzwerke gegründet worden, z.B. bei itelligence AG, Sparkasse Bielefeld, Miele & Cie. KG, teilweise sogar differenziert nach Fachgebieten. Auch externe bzw. firmenunabhängige Netzwerke und Mentoring-Angebote werden von den Unternehmen zur Entwicklung eigener Mitarbeiterinnen genutzt. Dazu gehört das in der Region bereits etablierte Cross Mentoring OWL. Gleichermaßen können aufstiegsorientierte Frauen auf eigene Initiative in dieser Hinsicht tätig werden, etwa durch Teilnahme an individuellen Mentoring-Programmen wie dem Bielefelder Mentoring oder als Mitglied in einem Netzwerk wie den Managerinnen OWL e. V.
In einer Veranstaltung im Juni 2018 wurde das Thema „Mentoring als Instrument der Personalentwicklung“ mit diversen Mitwirkenden aus Wissenschaft und Wirtschaft ausführlich diskutiert. In ihrer Keynote unterstrich Isabel Nitzsche, Autorin, Redakteurin und Management Coach aus München, die positiven Effekte von Mentoring-Programmen: „Gute Leistungen sind wichtig, beim Aufstieg kommt es aber auch auf andere Dinge an. In vielen Unternehmen sind die informellen Macht-Spielregeln traditionell männlich geprägt. Für Frauen ist es hilfreich, sich das bewusst zu machen. Entscheiden Sie, wie Sie mit diesen Regeln reflektiert und kreativ umgehen. Eine Portion Humor schadet dabei nicht.“
Prof.‘in Dr.‘in Swetlana Franken von der Fachhochschule Bielefeld sowie die Unternehmensberaterin Nina Mrugalla betonten wiederum, dass der Faktor „Spaß an der Führungsaufgabe“ mehr in den Vordergrund gerückt werden darf, sogar werden müsste. Denn jungen Frauen, die zunächst angeben „nicht an Karriere interessiert“ zu sein, sei unter Umständen gar nicht bewusst, wie viel Spaß es machen kann, in Führungsfunktionen Prozesse gestalten zu können. Übrigens können Unternehmen Mentoring-Angebote auch unmittelbar in Anspruch nehmen: Beispielsweise nehmen schon seit zehn Jahren Mitarbeiterinnen von EFB Elektronik GmbH am Cross Mentoring OWL teil, weil – so Robin Ohle, EFB Elketronik GmbH – dieses Programm einfach ein Angebot vorhält, welches das Unternehmen allein so nicht bieten könne und viele Vorteile bringe. Die Investition lohne sich, denn die Mitarbeiterinnen gingen persönlich gestärkt aus dem Programm hervor, was wiederum bewirke, dass sie ihre fachlichen Kompetenzen noch besser im Unternehmen einbrächten.
Über die Mitgliedschaft im Verein „FidAr – Frauen in die Aufsichtsräte e. V.“ können sich Unternehmen darüber hinaus für die Erhöhung der Chancengleichheit für weibliche Führungskräfte engagieren.
In kleineren oder inhabergeführten Unternehmen stecken oftmals individuelle Ansätze der Personalentwicklung hinter den Karrieren der Führungsfrauen. Beispiele hierfür sind die Unternehmen MarcanT AG, Oltrogge & Co. KG, Autocenter Gaus GmbH & Co. KG oder Metallit GmbH. Berufliche Erfahrung auch außerhalb des Familienbetriebs kann für die Übernahme von Führungsaufgaben der Töchter hilfreich sein, um die Akzeptanz bei den Beschäftigten zu erhöhen. Diese Erfahrung machte u. a. Katharina Schwerdt von Metallit GmbH.
In einer Veranstaltung, in der die Unternehmenskultur von Familienunternehmen näher betrachtet wurde, führte Prof.‘in Dr.‘in Christina Hoon, Inhaberin des Stiftungslehrstuhls für BWL, insbes. Führung von Familienunternehmen an der Universität Bielefeld, aus, dass nach der aktuellen Forschung tatsächlich zwar keine Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem Führungsstil signifikant feststellbar sind – wohl aber weiterhin die Wahrnehmung weiblicher Führung. Herrschende Geschlechterrollenstereotypen stellen insoweit noch die bedeutendsten Faktoren für die Undurchlässigkeit der Führungsetagen für Frauen dar. Erst mit einer höheren Anzahl weiblicher Führungskräfte geht ein Wandel geschlechterbezogener Stereotype einher, daher bleibt die Forderung nach mehr Frauen in Führung wichtig. Was Familienunternehmen auf jeden Fall attraktiv macht, ist die Tatsache, dass aufgrund einer längeren, soliden Unternehmensgeschichte eine gewisse Beständigkeit vorherrscht bei gleichzeitiger Ausrichtung der Unternehmensziele auf die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit. Oftmals sind sie gekennzeichnet durch eine niedrige Fluktuation der Beschäftigten, welche durch beständige Angebote der Fortbildung und persönlichen Weiterentwicklung entlang der eigenen Kompetenzen erreicht wird. Liegt der höhere Anteil von Frauen in Führungspositionen in KMU und Familienunternehmen an der stärkeren Fokussierung der Führungskräfte auf die Kompetenzen der Beschäftigten? Liegt es an der anderen Unternehmenskultur in Familienunternehmen?
Was hat die Unternehmenskultur also mit der Chancengleichheit von aufstiegsorientierten Frauen zu tun?
Unter Unternehmenskultur soll hier das Leitbild verstanden werden, welches das Unternehmen ausmacht und täglich reproduziert und weiterentwickelt wird, indem die Führungskräfte dies vorleben, die Beschäftigten sich daran orientieren und sich mit den Werten identifizieren können. Sie betrifft aber auch den täglichen Umgang unter und mit den Beschäftigten, also: die gelebte Kommunikationskultur.
Eine gute Unternehmenskultur ist dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Rahmen bietet, um einerseits das Produkt bzw. die Dienstleistung, welche das Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens darstellt, kunden- und marktorientiert anbieten und qualitativ weiterentwickeln zu können. Andererseits beeinflusst die Unternehmenskultur auch stark, ob und wie sehr die Beschäftigten bereit und in der Lage sind, sich mit ihrer Arbeitskraft und ihren Kompetenzen konstruktiv und innovativ in diesen Prozess einzubringen.
Eine gute Unternehmenskultur kann daher in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft bei der Werbung um und Bindung von Arbeitskräften eingesetzt werden. Für weibliche Beschäftigte kann dies auf mehreren Ebenen relevant sein und weitere Dimensionen betreffen als für Männer. Hier nur beispielhaft einige Anknüpfungspunkte, an denen mit der Transformation der Unternehmenskultur begonnen werden kann:
Sind die unternehmenseigenen Medien (z. B. Homepage, Imagebroschüre, Zeitschriften für Beschäftigte, Kundinnen und Kunden, Werbebroschüren u. a.) so gestaltet, dass auch Frauen mit abgebildet sind?
Wird in diesen Kommunikationsmedien eine Sprache verwendet, die inklusiv für Frauen ist? Oder sind sie in Bezeichnungen wie „Mitarbeiter“, „Techniker“, „Betriebsleiter“, „Geschäftsführer“ mitgemeint?
Bietet die Arbeitsorganisation v. a. in zeitlicher Hinsicht Raum für außerberufliche Verpflichtungen und Wünsche?
Werden Beschäftigte in Elternzeit bei der langfristigen Personalplanung, internen Stellenausschreibungen, Beförderungen oder dem Weiterbildungsprogramm einbezogen?
Wie sind Stellenanzeigen formuliert und welche Gruppe von Bewerberinnen und Bewerbern werden davon angesprochen?
Nahezu alle Mitwirkenden der Veranstaltungen betonten die Bedeutung der Führungskräfte für den Kulturwandel. Die strategische Entscheidung hin zu mehr Chancengleichheit in Unternehmen kann nur dann wirklich funktionieren, wenn sie aus den obersten Reihen der Geschäftsleitung kommt bzw. voll und ganz mitgetragen und von dort in alle Hierarchieebenen getragen wird. Denn zahlreiche alltägliche Entscheidungen von Führungskräften wirken sich unmittelbar auf die Aufstiegschancen der weiblichen Beschäftigten aus und beeinflussen auch deren Interesse am Aufstieg.
Martin Spilker (Bertelsmann Stiftung) betonte in einer Talkrunde im Mai 2017 die Erforderlichkeit der Übernahme von persönlicher Verantwortung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Führungsebenen. Gerade der sog. „Top-Down-Effekt“, also dass die oberste Führungsebene ganz ausdrücklich hinter gelebter Chancengleichheit steht, sei wesentlich. Dies leiste einen großen Beitrag zu einer positiven Unternehmenskultur, welche Chancengleichheit für alle bietet. Spilker: „Wichtig ist, dass notfalls auch Konsequenzen folgen, wenn dies nicht gelingt.“ Ein ganzheitliches Gesamtkonzept, welches sich aus möglichst vielen Aspekten und Maßnahmen zusammensetzt, entfaltet in der Regel die größte Wirksamkeit.
In einigen der regionalen Unternehmen gehört das Thema Chancengleichheit für weibliche Nachwuchstalente ausdrücklich zum weiter gefassten Bereich des Diversity Managements, zu dem auch andere Diversity-Kategorien wie Alter oder Migration/ Internationalität gehören können. Ende 2017 wurde ein Work- shop für Personalverantwortliche aus KMU mit dem Titel „Erfolgsfaktoren für mehr Vielfalt und Innovationskraft in Fach- und Führungspositionen“ durchgeführt. Die Workshop-Leiterin, Nina Bessing von der EAF (Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft e.V., Berlin) führte darin aus: „Diversity Management ist ein ganzheitliches Managementkonzept, welches die Wertschätzung einerseits und auch die explizite Förderung von Vielfalt in Organisationen andererseits zum Ziel hat.“ Studien haben ergeben, dass ein Team seine optimale Effizienz erreicht, wenn es zu je 50 Prozent aus Frauen und Männern besteht. Ein guter Grund also, dies in den Unternehmenszielen zu verankern.
Mit den Teilnehmenden des Workshops aus den unterschiedlichsten KMU wurde anhand von vielen praktischen Übungen und in der Diskussion erarbeitet, an welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um Vielfalt in der Belegschaft zu fördern und die Potentiale aller Beschäftigten für das Unternehmen zu erschließen. Beispielsweise kann Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten Beschäftigte dabei unterstützen, dass sie trotz familiärer Verpflichtungen oder sonstiger persönlicher Interessen, mit einem hohen Stundenumfang (weiter) erwerbstätig sein können, sodass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber weiterhin von der Expertise der eigenen Fach- und Führungskräfte profitieren können.
Talentmanagement vom Berufseinstieg bis zur Führungskraft
Da es ratsam ist, das Talentmanagement schon sehr frühzeitig zu beginnen, sind Kooperationen mit den Bielefelder Hochschulen und einzelnen Unternehmen entstanden, um genau hier anzusetzen: Die KMU aus der Region sind wesentlich weniger bekannt unter Hochschulabsolventinnen und müssen daher höhere Anstrengungen unternehmen, um sich bei ihren potentiellen Bewerberinnen bekannt zu machen.
In dem Format „Karrierewege nach dem Hochschulabschluss – Meet the Female Professionals“ haben Fach- und Führungsfrauen als Repräsentantinnen ihrer Unternehmen an Veranstaltungen in der Universität mitgewirkt und in lockerer Atmosphäre Kontakte geknüpft mit Studentinnen verschiedenster Fachrichtungen. Ganz nebenbei können sich die Unternehmen als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Auf ganz informelle Weise wird Studentinnen so näher gebracht, wie vielfältig die Unternehmen der Region sind und welche diversen und interessanten Arbeitsfelder hier vorhanden sind.
Zudem konnten durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Career Service der Universität Bielefeld und der Fachhochschule Unternehmensbesuche organisiert werden. D.h. dass kleine Gruppen von Studentinnen aus einzelnen Fachbereichen in den Alltag der Unternehmen hineinschnuppern und sich ein Bild von den Einstiegsmöglichkeiten und Tätigkeitsfeldern dort machen konnten. Über den Career Service der Uni Bielefeld oder Fachhochschule bestehen zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen, Kontakte zu den Bewerberinnen von Morgen zu knüpfen und sich schon frühzeitig als attraktive Arbeitgeber zu positionieren, etwa durch Ausschreibungen von Stellen für Werksstudentinnen, das Verfassen von Abschlussarbeiten oder auch durch Job-Shadowing. Mitarbeiterinnen der Personalabteilung bei Oltrogge GmbH & Co. KG haben in der Vergangenheit bspw. in Kooperation mit dem Career Service auch Bewerbungstrainings für Studierende angeboten, an Fach- und Recruiting-Messen teilgenommen, nicht zuletzt, um Studierende als zukünftige Beschäftigte zu gewinnen. Auch bei Azubis kann frühzeitig durch verschiedene Maßnahmen auf eine Bindung an und starke Identifikation mit dem Unternehmen hingewirkt werden, z.B. durch Azubiprojekte und Teamevents wie es bei der Katag AG praktiziert wird.
Stichwort: Arbeitgeberattraktivität oder „Employer Branding“
Interessant ist auch, wie es sich auswirkt, wenn Frauen in der Geschäftsführung abgebildet sind: So reagieren Hochschulabsolventinnen eher negativ darauf, wenn die einzige Frau in der Geschäftsleitung das Ressort „Personal“ innehat, da diese eher als „Alibi-Frau“ wahrgenommen wird. Ist das einzige weibliche Mitglied der Geschäftsführung für den Bereich „Controlling und Finanzen“ zuständig, wird dies von jungen Akademikerinnen überdurchschnittlich positiv bewertet.
Wenn wiederum 50 Prozent Frauen in der Geschäftsführung tätig sind, wirkt dies fast gleichermaßen positiv auf weibliche wie männliche Hochschulabsolventen. „Ein Unternehmen kann nicht nicht kommunizieren“, so Pro- f.‘in Dr.‘in Iseke. Employer Branding kann strategisch eingesetzt werden, um eine bestimmte Zielgruppe, beispielsweise die der weiblichen Fachkräfte und Nachwuchstalente, besonders anzusprechen und deren Potenzial für die Unternehmen aufzuschließen. Gleichzeitig kann die Anzahl der unpassenden Bewerbungen reduziert werden.
Und worauf müssen wir uns Zukunft einstellen?
Im Juli 2017 wirkten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaftsunternehmen aus der Region an einer Veranstaltung mit, deren Titel „Arbeit 4.0 und New Work – auf dem Weg in eine Personalentwicklung der Zukunft“ lautete. Sie stellten Ansätze vor, wie sich Digitalisierung bereits auf Geschäftsprozesse, Personalentwicklung und Kommunikation in ihren Unternehmen ausgewirkt hat. Die Synaxon AG etwa hat ein internes Kommunikationsnetz aufgebaut, welches es einzelnen Beschäftigten er- möglicht, Abläufe im Unternehmen, die schon lange unhinterfragt bestehen, auf den Prüfstand zu stellen oder ganz neue Praktiken einzuführen: Beschäftigte können dort jederzeit Veränderungsvorschläge machen, die möglichst mit Empfehlungen zur praktischen Umsetzung versehen sind, was sodann von allen Kolleginnen und Kollegen kommentiert und am Ende angenommen oder abgelehnt werden kann. So wurden Abstimmungs- und Genehmigungsprozesse, sei es bei Urlaubsabsprachen, Materialbeschaffung u.a., deutlich verschlankt und gleichzeitig den Beschäftigten mehr Verantwortung übertragen. Dadurch konnten Ressourcen eingespart werden und letztlich alle Beteiligten profitieren. „Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Marc Schröder, Geschäftsführer der Synaxon AG und betont, dass die Beschäftigten sehr gewissenhaft mit diesem Instrument umgehen.
Bei Comspace GmbH & Co. KG sind digitale Formen der Vernetzung zur Verbesserung des Betriebsklimas und einer stärkeren Vernetzung unter den Beschäftigten entwickelt worden. Auf der – ursprünglich ausschließlich firmeninternen – Plattform „Spende Dein Talent“ haben Beschäftigte Angebote eingestellt, wo sie sich persönlich einbringen können, weil sie hier ein besonderes Interesse und Talent haben, zum Beispiel ein Lauftreff zu führen, eine Yogastunde in der Mittagspause anzuleiten, Tortenbacken oder sonstige Freizeitaktivitäten. So lernen Angestellte aus unterschiedlichen Bereichen sich in ganz neuen Kontexten kennen und schätzen. Diese Idee kann auch in anderen Unternehmen genutzt werden, um eine eigene Unternehmensgeschichte zu erzählen, die Unternehmenskultur zu verbessern und die Arbeitgeberattraktivität zu stärken. Es ist auch ein Beitrag dazu, den „Menschen in der digitalisierten Welt in den Mittelpunkt zu stellen“.
Beide genannten Beispiele tragen auf ihre Art zu einer Verbesserung des Betriebsklimas bei, was wiederum einen sehr wichtigen Baustein der Unternehmenskultur darstellt. Gerade unter weiblichen Beschäftigten hat dies einen hohen Stellenwert.
Wie Digitalisierung in zehn, 20 oder mehr Jahren die Ausgestaltung der individuellen Arbeitsplätze beeinflussen wird, kann nicht wirklich vorhergesehen werden. Einige Unternehmen sowie deren Be- schäftigte gehen dem Wandel zuversichtlich und positiv gespannt entgegen, bei anderen überwiegen Angst und Zurückhaltung. Relativ sicher ist jedoch, dass sich das Kompetenzprofil in vielen Arbeitsfeldern verschieben wird, was sich auf jeden Fall auch auf die Form der Zusammenarbeit in Teams auswirken wird. Agile Arbeitsstrukturen werden verstärkt agile Teams mit besonderen, vielleicht auch neuen Formen der Kommunikation erfordern. Sie kommen einer Flexibilität, wie sie von immer mehr Beschäftigten gewünscht wird, entgegen, sodass sie – bei entsprechender technischer Ausstattung – andere Möglichkeiten der Zeiteinteilung zulassen. Die Abgrenzung von Arbeits- und Freizeit stellt dann wiederum höhere Anforderungen an Beschäftigte und erfordert klare Absprachen zwischen ihnen und ihren Führungskräften etwa in Bezug auf die Erreichbarkeit.
Robert Franken, Digital und Diversity Consultant aus Köln, formulierte die These, dass zukünftig ein empathischer Perspektivwechsel Voraussetzung ist, um komplemxentäre Potenziale aller Geschlechter zu entfalten. Er nennt dies „Gender Empathy“. Frauen haben seiner Ansicht nach gute – vielleicht sogar bessere – Voraussetzungen als Männer, um in den neuen Strukturen zu arbeiten.
Geschrieben von Christina Rouvray,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL
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