Wohlfahrt, Monika: Künstlerin

„Immer zu laut, zu schnell, zu viel, bla bla bla …“

Monika Wohlfahrts Atelier in einem malerischen Hinterhaus in Brackwede ist vollgestellt mit ihren Bildern, die bunten Wände spiegeln ihre Farbschlachten wider. An der Wand hängt ein Zitat von Paro Bolam: „Schöpferische Freiheit ist kein Ideal, das wir anstreben, sondern eine innere Realität, die wir wieder frei legen.“

Dieses Zitat ist ihr Manifest, ihre Antwort auf den Vorwurf, nicht studiert zu haben. Die Bielefelder Künstlerin ist Autodidaktin und malt seit mehr als 30 Jahren. Monika Wohlfahrt hatte bereits Ausstellungen in verschiedenen Bielefelder Galerien wie Samuelis Baumgarte oder Galerie Baal, aber auch in Kassel, Heidelberg oder Wien. Aktuell finden wir ihre Bilder in der Galerie Nikolaus Nadrag in Bielefeld.

Malen ist für sie ein Prozess, den sie nicht willentlich steuert. Wenn sie vor der weißen Leinwand steht, kommt etwas und setzt sich durch, etwas Magisches, das über ihre Person hinausgeht, das in jedem Menschen wohnt, und das sie ohne ihre Kunst verloren hätte. In diesem expressiven, malerischen Prozess fügt sie Schichten von Farben neben- und übereinander. Es erscheint ihr wie ein Befreiungsprozess, ein Ventil für ihre weibliche Wut.

„Das Weibliche an sich ist immer diskriminiert worden“, ist ihre Erfahrung seit frühester Kindheit. Ihr Drama ist es, als ungewolltes Mädchen in die Enge eines streng religiösen Elternhauses geboren zu sein. Der Vater war ein Diakon, der Bildung für Mädchen nicht vorsah, die Mutter hatte dieser Tradition der weiblichen Zurichtung nichts entgegenzusetzen. „Ich war schon immer wild und lebendig und anders als ich sein sollte. Ich hatte so viel Lebendigkeit in mir und wusste nicht wohin damit. Ich habe mich schon als Kind versucht, mich kreativ ausgedrückt.“

Wie viele Künstler*innen kann sie von ihrer Kunst nicht leben und arbeitet seit 33 Jahren Vollzeit in ihrem Geburtsstadtteil Bethel. 15 Jahre lang war sie als Sozialmilieupädagogin auch in der geschlossenen Psychiatrie tätig. Hier hat sie wunderbare Menschen kennengelernt und erkannt, dass deren Erkrankung häufig stellvertretend für Unausgesprochenes, nicht Erkanntes und die damit verbundene Sprachlosigkeit steht.

Dies förderte ihre Kreativität und half ihr mit dem Malen die eigene Sprachlosigkeit zu überwinden. Die eigene Sprachlosigkeit betraf ihre Rolle als Frau und die weibliche Sexualität.
„Nirgendwo war zu lesen, was weibliche Sexualität wirklich ist. Es gab keine Sprache.“ Es hat sie unendlich traurig gemacht, ihre eigene Wildheit nicht leben zu können. Die Kunst hat sie gerettet. „Mein ganzer Lebenslauf hat mir Themen geschickt, die ich bearbeiten konnte. So bin ich mir selbst treu geblieben, habe meinen eigenen Stil entwickelt und beibehalten, die Kunst hat mir unglaublich viel geschenkt.“

Nach einer Umschulung zur Bürokommunikationskauffrau vor 18 Jahren war Monika Wohlfahrt erst zwei Jahre im Archiv, dann für die Geschäftsleitung tätig. Seit zwei Jahren ist sie Assistentin des wissenschaftlichen Direktors des Evangelischen Klinikums Bethel. Dadurch ist sie am Aufbau der medizinischen Fakultät in Bielefeld beteiligt. Sie ist überzeugt, dass diese Fakultät ein Meilenstein für die Bielefelder Wirtschaft ist, weil dadurch neue Menschen nach Ostwestfalen kommen und ganz Deutschland auf Bielefeld aufmerksam wird. Diese Arbeit ist für sie eine willkommene Herausforderung und sie fühlt eine große Wertschätzung für ihre Fähigkeiten und Talente. Das macht sie selbstbewusst und stärkt sie dabei sich zu positionieren.

Aber das Wichtigste an ihrem Job ist für sie die finanzielle Absicherung: „Aus diesem Raum heraus kann ich schöpferisch tätig sein.“ Nach der Arbeit fährt sie in ihr Atelier und schafft hier zwei bis vier Stunden an ihren Bildern weiter, auch an den Wochenenden. „Es gibt diese Menschen mit der unerschöpflichen Energie, ich gehöre dazu. Andere können sich mit Serien schauen trösten, das langweilt mich zu Tode. Mich füllt der Malprozess mit Energie auf. “ Sie erlebt es häufig, dass ihre Energie und Lebendigkeit für andere zu viel sind. „Wenn ich im Fluss bin, gibt es kein Stopp. Ich spiegele das, was den Leuten unangenehm ist. Ich bin anderen oft zu laut, zu schnell zu wild, bla bla bla …“

Eine besondere Freude ist es für sie, mit Kindern zu malen. Kinder sind für sie die größten informellen Künstler der Welt. Sobald die Kinder in die Grundschule kommen, ist es nach ihrer Erfahrung je nach Schultyp mit dieser Fähigkeit vorbei.

Monikas Definition für Erfolg ist zugleich ihr Tipp an Frauen in einer ähnlichen Situation: „Erfolgreich fühle ich mich, wenn ich mich selbst managen kann mit allen Schwachstellen und Widersprüchen. Niemand sollte Angst vor Widersprüchen in sich selbst haben. Diese machen uns liebenswert. Wenn wir damit offen umgehen, dann kommt die eigene Kraft von allein hoch.“