Prof. Dr. Detmers, Ulrike: Mestemacher-Gruppe

Gleichstellung ist ein wichtiger wirtschaftlicher und sozialer Faktor des Zusammenhaltes der Gesellschaft. Deshalb kämpfe ich für die Frauenquote.

Portrait

Prof. Dr. Ulrike Detmers ist seit 1975 verheiratet mit Albert Detmers, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter Mestemacher-Gruppe.  Das Paar hat zwei Kinder und drei Enkelkinder. Ulrike Detmers ist Vorsitzende der Geschäftsführung der Mestemacher Management GmbH und Sprecherin der Mestemacher-Gruppe. Sie leitet das Ressort Marketing, CSR, PR. Seit 2013 ist sie Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien e.V.

Parallel ist sie seit 1994 Professorin für Betriebswirtschaftslehre insb. Personal- und Organisationswesen der Fachhochschule Bielefeld. Als ambitionierte Frauenrechtlerin engagiert sie sich dafür, die Chancen von Frauen in der immer noch männerdominierten Wirtschaft zu stärken. Parität ist ihr Ziel.

Unter ihrer Initiative engagiert sich das Familienunternehmen Mestemacher seit 2000 dafür, dass Leitungsgremien paritätischer mit Mitgliedern beider Geschlechter besetzt werden, und Männer es als Selbstverständlichkeit ansehen, sich intensiver um die Familie zu kümmern, damit die Frau beruflich erfolgreich sein kann.

Der MESTEMACHER PREIS MANAGERIN DES JAHRES wird seit 2002 verliehen mit dem Ziel, in der männerdominierten Welt der Wirtschaft kompetente Wirtschaftsfachfrauen als weibliche Leitbilder zu exponieren. Seit 2005 würdigt das Unternehmen das praktizierte partnerschaftliche Ehe- und Familienmodell mit dem „Mestemacher Preis Spitzenvater des Jahres“.  Mestemacher würdigt seit 2020 erstmals auch eine Mütterorganisation. „Leistungen von Müttern und Vätern nützen uns allen. 70 Jahre Elly-Heuss-Knapp-Stiftung, Deutsches Müttergenesungswerk, sind ein wunderbarer Anlass, zukünftig auch zu den modernen und emanzipierten Vätern eine Mütterorganisation auszuzeichnen“, betont Ulrike Detmers.

2017 wurden zum ersten Mal mit dem neuen Preis „Gemeinsam Leben“ in vier Preisgruppen je eine Großfamilie, ein Mehrgenerationenhaus, eine Wohngemeinschaft und der renommierte Hamburger Überseeclub e. V. für geschlechterübergreifendes „Brückenbauen“ in der Kategorie andere Lifestyle-Modell-Typen ausgezeichnet.

Ulrike Detmers ist selbst seit 2008 Trägerin des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland sowie Preisträgerin des Bürgerinnenpreises „Liberta 2008“. 2007 wurde ihr der „German Women Entrepreneurs Award“ 2007 durch den 17. Weltfrauengipfel verliehen, 2006 erhielt sie den VICTRESS ROLE MODEL AWARDS 2006, verliehen durch die Initiative Victress e. V., unter der Schirmherrschaft des Bundeswirtschaftsministers.

Als erste Frau in der 60-jährigen Geschichte ist die Unternehmerin als Branchenpersönlichkeit von der Lebensmittel Zeitung mit dem „Goldenen Zuckerhut“ ausgezeichnet worden.

Die engagierte Frauenrechtlerin ist Mitglied in vielen Kommissionen, Beiräten und Verbänden. Dazu gehören der Beirat des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) Landesverband NRW e.V., der Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU) und der Deutsche Akademikerinnenbund e.V. (DAB) sowie die Mitgliedschaft in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK).

Prof. Dr. Ulrike Detmers im Interview mit Vera Wiehe über ihr Engagement für Frauen in der Wirtschaft, Erfolgsfaktoren und die Bedeutung der Frauenquote

Sie sind engagierte Unternehmerin und Hochschulprofessorin sowie ambitionierte Frauenrechtlerin. Was treibt Sie an?

Ich führe seit fast 50 Jahren eine glückliche Ehe, die mir unheimlich viel Kraft verleiht. Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass Frauen wie Männer befähigt sind, Leitungsstellen produktiv und wirtschaftlich rentabel auszufüllen. Ich verorte die Qualifikation zum Führen nicht beim Geschlecht, was aber viele Männer tun. Das sind insbesondere die traditionellen Machtinhaber, Hautfarbe weiß und älteren Datums, die über die Macht verfügen zu entscheiden, wer gefördert wird und wer nicht.

Aufgrund der Verknappung der talentierten Nachwuchskräfte wird sich das in Zukunft ändern. Man kann historisch nachweisen, dass in Zeiten von Knappheit vorhandene Potentiale erschlossen wurden. Knappheit an talentierten Arbeitskräften hat zum Beispiel dazu geführt, dass Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) 1685 mit seinem „Edikt von Potsdam“  etwa 20.000 aus Frankreich flüchtende Hugenotten in Brandenburg aufnahm. Das hat er nicht aus purer Menschenfreundlichkeit getan, sondern das war eine rationelle Entscheidung, weil Knappheit an Talenten herrschte und die Kompetenzen der gebildeten Hugenotten wirtschaftlich gebraucht wurden.

Wie bringen Sie ihre Dinge voran, was sind ihre Erfolgseigenschaften?

Ich bin ein ostwestfälischer Dickschädel. Mein Lebensmotto lautet „Never give up“.  Wenn ich von einer Zielbestimmung überzeugt bin, lasse ich mich nicht ins Bockshorn jagen oder unter Druck setzen. Im Gegenteil, ich halte dran fest, das, was ich für richtig erachte, mit partnerschaftlichen und fairen Mitteln zu erreichen. Ich greife nicht zu Mitteln, die unter die Gürtellinie gehen oder beleidigend sind, sondern ich arbeite und kämpfe faktenbasiert, aber auch dickschädelig dafür, dass ich das gewünschte Ergebnis erziele.

Sie haben die Auszeichnungen ´Managerin des Jahres`, ´Spitzenvater des Jahres` und ´Gemeinsam Leben` initiiert. Die ´Managerin des Jahres` haben Sie bereits zum 19. Mal gekürt. Ist das ihr Lieblingspreis?

Nein, ich habe keinen Lieblingspreis. Ich halte alle drei Preise für gleichbedeutend wichtig, um die Weiterentwicklung der Gesellschaft voranzubringen. Die Preise weisen immer wieder auf diese Themen hin, die Bezug nehmen auf gemeinsam zu leben, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern, die Frauen in die Leitungsstelle und die Väter in die Vereinbarkeit Familie und Beruf zu etablieren. Das soll mit diesen sozialen Preisen unterstützt werden und das halte ich für wichtig.

Was hat sich seit 2002, dem Jahr der ersten Managerin des Jahres an der Karrieresituation von Frauen verändert?

Das ganze Thema ´Gender Mainstreaming` als strategischer Ansatz zur Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau in allen Entscheidungsprozessen hat sich etabliert und in den Köpfen installiert. Es ist heute, glaube ich, politisch ein No-Go zu sagen, Frauen sind nicht qualifiziert für die Implementierung in Leitungsstellen und die Entscheidungsbildung im Rahmen ihrer Leitung. Mehrheitlich sind demokratische Parteien überzeugt davon, dass die Gleichstellung ein wichtiger wirtschaftlicher und sozialer Faktor des Zusammenhaltes der Gesellschaft ist.

Was ist der aktuelle Stand zu dem Thema Frauen in Leitungspositionen?

Bekanntermaßen ermittelt das Managerinnen-Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung schon seit Jahrzehnten den Anteil von Frauen im Top- und Mittelmanagement sowie neuerdings auch die Allbright Stiftung. Die Zahlen sind niederschmetternd: Der Frauenanteil im Vorstand der 30 DAX-Unternehmen liegt aktuell gerade einmal bei 12,8 Prozent.
Auch in deutschen Familienkonzernen herrscht eine teilweise extremkonservative, männerdominierte Gesinnung.

Natürlich gibt es Unternehmen, in denen auch die Töchter innerhalb der Unternehmerfamilie Chancengerechtigkeit erfahren. Leitungsbezogen, würde ich sagen, ist die Wirtschaftswelt nach wie vor eine Männerwelt.

Was können die karriereorientierten Frauen tun? Welche Unternehmen sollten die Frauen wählen?

Es gibt Branchen, in denen der Frauenanteil im unteren und mittleren Management bereits relativ groß ist. Deshalb ist wegen des personellen Angebots das Aufstiegspotential eher vorhanden als in männerdominierten Hierarchien.

Ich bin nicht hoffnungslos, aber es geht alles in puncto Frauenpräsenz in der ersten Leitungsebene zu langsam voran, deshalb brauchen wir die Frauenquote noch vor der Wahl 2021.

Sie sind auch im Rahmen der Nürnberger Resolution und des damit verbundenen bundesweiten Netzwerks ´Erfolgsfaktor Frau` aktiv. Wie ist hier der aktuelle Stand?

Ich finde die Initiative ganz hervorragend und die Akteurinnen haben auch wunderbare Arbeit geleistet. Der Einsatz wird ehrenamtlich erbracht. Wir benötigen Netzwerke sowie die Institutionalisierten, wie z.B. die Allbright Stiftung, die mit angestellten Fach- und Führungskräften arbeitet. Ich halte die Allbright Stiftung und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das u.a. das Managerinnen-Barometer herausgibt, für die effizientesten Organisationen. Hier werden Fakten dokumentiert und hier wird immer wieder der Finger in die Wunde der Diskriminierung von Frauen in Top-Positionen gelegt.

Wir brauchen die Quote. Wir haben Unternehmen, an denen die Bundesländer, die Kommunen oder der Staat Eigentum besitzen. Hier muss man mit gutem Beispiel voran gehen und hier muss die Frauenquote unbedingt implementiert werden.

Wenn Sie die Portraits der von Ihnen ausgezeichneten Managerinnen vor Augen haben, was ist die Essenz für deren Erfolg?  Was können wir von ihnen lernen?

Ehrgeiz, Strebsamkeit, Beharrlichkeit, Netzwerkfähigkeiten – sich eine Lobby aufbauen in dem Unternehmen, in dem man eine Leitungsstelle hat und Fürsprecher finden. Und in der Tat spielen die hohen Qualifikationen eine herausragende Rolle, diese sind bei den Frauen top. Es handelt sich um absolute Spitzenfrauen: zum Beispiel die Managerin des Jahres 2020, Angela Titzrath, ist die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG. Sie spricht fünf Sprachen, ist hochbegabte Musikerin und kann eine Topkarriere im internationalen Management aufweisen.

Oder Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, die 2012 ausgezeichnet wurde und jetzt da ist, wo sie hingehört: Sie ist als Mitglied des Vorstands der Deutschen Bahn seit Januar 2020 verantwortlich für das Ressort Güterverkehr und Vorstandsvorsitzende von DB Cargo.

Das sind extrem erfolgreiche Beispiele, aber es gibt auch sehr viele Führungsstellen im ersten Management oder der darunter liegenden Ebene. Der Standard ist eher eine Geschäftsführerin in einem mittleren oder kleinen Unternehmen, wo man mehr Komplexität vorfindet und genauso qualifiziert sein muss, um Gewinne zu erwirtschaften. Es muss nicht unbedingt eine Profit-Organisation sein, wir haben auch sehr viele Nonprofit-Organisationen wie Altenheime oder Kindertagesstätten, wo Frauen gut etabliert sind und zeigen, dass sie gut führen können. In den Nonprofit-Organisationen, insbesondere im Bereich der Pflege, sind viele qualifizierte Frauen präsent.
Problematisch sind die Wirtschaftsunternehmen und auch Nonprofit-Unternehmen, in denen es um viel Macht geht.

Künftig muss in den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mindestens eine Frau sitzen, wenn dieser Vorstand mehr als drei Mitglieder hat. Was wird diese neue Reglung bewirken? 

Immer, wenn es um viel Macht geht, sind die Männer aufgrund ihrer Seilschaften den Frauen überlegen. Die Frauen kämpfen sich ab und laufen ins Leere, da fallen Entscheidungen hinter ihrem Rücken. Wir haben eine Informationsasymmetrie mit z.T. systematischen Herabwürdigungen. Darum fordern wir die Quote, dann laufen Machtspielchen ins Leere.

Ich bin überzeugt, dass durch die neue gesetzliche Quotenregelung weiter Bewegung in die deutschen Unternehmen kommt. Es hat die große Pressekonferenz gegeben, auf der Jutta Allmendinger mit ihrer sachlich bravourösen Art ganz nüchtern belegt hat, warum wir die Quote brauchen. Sie ist Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und ist eine der renommiertesten internationalen Forscher*innen in dem Bereich. Was sie sagt, kommt auch bei der Kanzlerin an. Sie hat eindeutig von der Kanzlerin verlangt, 2021 die Quote durchzusetzen.

Was ist Ihre Prognose, wo werden wir in drei Jahren stehen?

Weiter, auf jeden Fall, weil eine neue Generation heranreift und für Nachwuchsstellen befähigt ist. Ich verwies bereits auf die Knappheit an Fach- und Führungskräften. Das Angebot an freien Stellen ist größer als die Anzahl der potentiellen Stelleninhaber. Dadurch steigen die Chancen der Frauen auf gute Stellen.  Das ist ein nüchterner Faktor, der die Gleichstellung fördern wird. Dazu kommt die zunehmende Befreiung des Mannes von tradierten Rollenerwartungen. Ich glaube, dass dieses Trumpsche Imponiergehabe kein Leitbild für die Zukunft ist. Ich bin überzeugt, ein Führungs- und Politikstil, wie ihn die dänische Ministerpräsidentin oder der niederländische Ministerpräsident kultivieren und den auch andere Demokraten in der ersten politischen Spitze zeigen, dass dieser Stil Zukunft hat.

Glauben Sie, dass durch die Digitalisierung und die damit verbundenen Veränderungen der Arbeitsweisen mehr Hierarchiefreiheit und damit auch mehr Gendergerechtigkeit in Unternehmen einziehen kann und wird?

Ja eindeutig, die Telearbeit, das heißt die Kombination von Homeoffice und Präsenz ist für Mann und Frau ein Segen, weil Familie und Beruf vereinbart werden können. Die Partner können sich innerhäuslich Arbeit teilen, ohne dass es nach außen sichtbar wird.

So gewöhnen sie sich daran, d.h. der Mann gewöhnt sich daran, seinen Part der Hausarbeit zu übernehmen, und die Frau kann von Zuhause ihre Leitungsstelle ausüben, das führt zu gerechteren Einteilungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ich sehe das an meinen Mann, weil er sich durch die doppelte Berufstätigkeit dran gewöhnt hat. Ihm machen bestimmte Hausarbeiten Spaß und er empfindet das nicht als Makel oder unmännlich.

Dazu kommen die Themen wie Flexibilität der Arbeitszeit. All das optimiert auch die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie.

Liebe Frau Prof. Detmers, Sie haben bei aller kritischen Bilanz einen ermutigenden Ausblick gegeben für die gesellschaftliche als auch für die innerfamiliäre Ebene.

Ja, insofern schaue ich als Unternehmerin, als Wirtschaftsprofessorin und auch als Frauenrechtlerin optimistisch in die Zukunft. Die Bedürfnisse der Menschen wandeln sich und darüber werden neue Chancen für das Zusammenwachsen in Paarkonstellationen möglich. Dazu kommt, dass das Thema Geschlechtergerechtigkeit bei den nachwachsenden Führungskräften etablierter ist als bei den Vätern und Großvätern.